Beim 3. Dein Winter. Dein Sport. Summit im frühwinterlichen Oberstdorf ging es vor allem um ein Thema: Nachhaltigkeit. Das neugeschaffene Umweltbewusstsein in der Gesellschaft beschäftigt auch die Wintersport-Branche. Teilweise setzt sie schon seit Jahren auf nachhaltige Methoden, kommunizierte dies aber bisher wenig bis gar nicht. Laut Angaben der regionalen Tourismusverbände aus Deutschland, Österreich, Schweiz und Italien soll dies nun stärker in den Fokus rücken. Wer sich mit Nachhaltigkeit beschäftigt, muss sich vor allem mit der Mobilität befassen: Machen An- und Abreise doch rund 80 Prozent des ökologischen Fußabdrucks an einem Skitag aus.
Immer mehr Menschen unserer urbanisierten Gesellschaft leben in Städten – gleichzeitig wächst so das Bedürfnis, dem Alltagsstress wieder zu entfliehen, raus in die Natur zu kommen. Einer der unliebsamen Begleitumstände: lange Staus auf dem Weg in die Wintersport-Gebiete. „Und dabei spielt es keine Rolle, ob man jetzt einen Aufkleber vom Skiverband oder vom Alpenverein auf dem Auto kleben hat", sagt Prof. Dr. Ralf Roth, Leiter des Instituts für Outdoor Sport und Umweltforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln. „Wenn ich beispielsweise alleine mit dem Pkw von Stuttgart aus nach Oberstdorf fahre, erzeuge ich zirka 90 Kilogramm CO2-Emission. In einem gefüllten Kleinbus sind es nur noch 22 Kilogramm pro Person“, sagt der Experte.
Wintertourismus ist dabei deutlich umweltverträglicher als der Sommertrip in die Ferne. Eine Flugreise nach Mallorca hat eine Pro-Kopf-Belastung von 570 Kilogramm. Doch auch die Winterreise geht besser. „Es wird in den Verbänden ein wichtiges Thema sein müssen, Mitfahrzentralen zu organisieren. Die große Lösung ist, gemeinsam zum Skifahren zu gehen und auch die Aufenthaltsdauer zu verlängern.“ Und die Elektromobilität? Auch sie würde keinen signifikant günstigeren CO2-Fußabdruck hinterlassen – ihr Problem ist die aufwendige Herstellung.
Wer es umweltfreundlicher haben will, der muss öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Damit befasste sich auch der Mobilitätsworkshop der Deutschen Bahn im Rahmen des Kongresses. Aktuell bringen die DB-Züge rund acht Prozent der Urlauber in die Berge. Die Hauptziele liegen dabei im Ausland.
Bahn-Reiseziel Nummer eins der Deutschen ist die Schweiz, gefolgt von Österreich. Am drittliebsten reisen die Deutschen nach Bayern, Südtirol liegt auf Rang vier. Die Bahnreise-Tendenz ist insgesamt klar steigend. Bis 2027 möchte die DB ihren Marktanteil von 8 auf 12 Prozent erhöhen. Bei Reisen nach Tirol gab es im Vorjahr schon ein deutliches Wachstum von 15,3 Prozent.
Mit dem Zug ins Winterdomizil? Noch immer hat der Verbraucher Vorurteile - Bedenken, ihm würde die Flexibilität genommen und die Sicherheit, bis vor die Hoteltür zu gelangen. Nur wenige Gäste, so die Erkenntnis, würden aktiv nach einer Alternative zum PKW suchen. Deshalb müsse man laut den DB-Fernreiseverantwortlichen schon bei der Urlaubsbuchung die Anreisealternativen anbieten. Möglichkeiten, mit dem Zug in die Berge zu kommen, gibt es viele. Die Deutsche Bahn bietet wöchentlich rund 270 Direktverbindungen vom gesamten Bundesgebiet aus in die Berge an. An Wochenenden und zu Ferienterminen fahren besonders viele Züge in die Schweiz, nach Österreich oder Südtirol. Von vielen Bahnhöfen ist es auch nicht
mehr weit ins Skigebiet. Die letzte Lücke schließen oftmals Ski-Busse, die den Besucher die letzten Kilometer bis zum Lift bringen. Es bleiben die Gebiete, die keine oder nur eine schlechte Anbindung ans öffentliche Verkehrsnetz haben. Hier punktet der Pkw.
Viele Urlauber schreckt der Preis fürs Zugticket ab – denn der kann bei kurzfristiger Buchung für Fernstrecken hoch ausfallen. Wer sich hingegen frühzeitig um seine Reise kümmert, kann schon für 19,90 Euro in den Zug steigen, auch für lange Distanzen, etwa von Hamburg nach Oberstdorf. Kinder unter 15 Jahren reisen kostenlos mit. Zusätzliche Entlastung soll in Zukunft die Mehrwertsteuerreform im Rahmen des Klimapakets bieten. Statt 19 Prozent sollen 2020 nur noch 7 Prozent Umsatzsteuer auf Fernverkehrskarten aufgeschlagen werden.
Dann das Gepäck. Ski, Snowboard, Schuhe und sonstige Ausrüstung sind nicht gerade handlich. Im Auto lassen sie sich immerhin relativ einfach verstauen. Auch die Deutsche Bahn bietet einen Haus-zu-Haus-Service an ab 17,90 Euro pro Koffer – auf längeren Strecken muss aber oft mit mehr kalkuliert werden. Wer sein Gepäck selbst transportieren will, kann das im Zug fast unbegrenzt tun. Konkrete Beschränkungen für Gewicht oder Größe, wie beim Flugurlaub, gibt es nicht. Hinzu kommt, dass laut Statistiken der Deutschen Bahn 50 Prozent der Gäste in Skigebieten die Ausrüstung erst direkt vor Ort ausleihen.
So bleibt die größte Herausforderung für Bahnreisende die sogenannte „letzte Meile“, also der Weg vom Bahnhof ins Hotel bzw. die Mobilität vor Ort. In immer mehr Destinationen wir dem Rechnung
getragen und entsprechende Shuttle-Angebote angeboten.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Es gibt noch viel zu tun. Wintersport-Großereignisse wie die Nordischen Skiweltmeisterschaften 2021 in Oberstdorf können helfen, regionale Mobilitätskonzepte.- und -angebote zu entwickeln, um sie dann auch nach dem Event für Einheimische und Urlauber anzubieten. Die WM-Organisatoren arbeiten zum Beispiel darauf hin, dass 55 Prozent der Gäste mit den Öffentlichen anreisen.
Neben den Übernachtungsgästen gibt es auch viele Tagestouristen, die mit alternativen Anreisemöglichkeiten an die Skilifte kommen können. Zumindest im südlichen Raum Deutschlands kooperiert die Bahn mit verschiedenen Skigebieten. Heraus kommt ein Schneetag zu erschwinglichen Preisen – teilweise zum Preis einer normalen Ski-Tageskarte. Wintersportler ab München können beispielsweise in Zügen mit extra Skihalterungen nach Garmisch-Partenkirchen oder auf die Zugspitze reisen. Das Ticket kostet dabei 52 Euro und beinhaltet Hin- und Rückfahrt sowie den Tagesskipass. Ab Stuttgart gibt es den Schnee-Express nach Oberstdorf . Zwar muss man sich meist eine längere Reisezeit akzeptieren, reist dafür aber mit minimalem CO2-Ausstoß und vermeidet Staus - und damit sehr viel Stress.
So enstspannt kann man zum Skifahren in die Tiroler Alpen reisen. Die Skischule St. Pauli macht es vor.
Eine weitere Möglichkeit, klimafreundlich (und kostengünstig) zum Wintersport zu reisen, ist der Bus. Beispielsweise: Schneebeben. „Wir haben über 100 Buspartner, die für uns fahren“, sagt Geschäftsführer Daniel Mikuscheck. „Pro Winter bringen wir 40.000 Menschen in den Schnee. Damit sind wir absoluter Marktführer in diesem Bereich.“ Die Busreise – eine der umweltfreundlichsten Reisemöglichkeiten. Grund für die neue Wahrnehmung sei die aktuelle Debatte über Klimaschutz.
Schneebeben bietet seine Reisen in den sechs südlichen Bundesländern an, nördlichstes Abfahrtsziel ist Köln. Von dort aus geht es Richtung Schweiz oder Österreich. „In Deutschland können wir leider nur Garmisch-Partenkirchen anbieten. Wir brauchen einfach eine gewisse Größe im Skigebiet, weil wir dann ja auch mit 2000 bis 3000 Leuten ankommen. Das geht in den kleinen Gebieten nicht.“ Dieses Jahr startet man mit Kooperationspartner Müller Touristik zudem noch das Pilotprojekt „Schneebeben-Zug“. Die Fahrten in Nachtzügen soll Tagesskiausflügler auch aus nördlichen Städten wie Münster locken. Wie das Angebot aufgrund der weiten Anreise ankommen wird, lasse sich noch nicht sagen. 2019/20 wird es deshalb erst einmal nur zwei solcher Termine geben.
Für Mikuscheck steht aber nicht nur das Reiseangebot im Vordergrund, er verfolgt mit Schneebeben seit Jahren einen anderen Ansatz. „Es ist wie ein Festival, am Nachmittag gibt’s immer eine Party. Diese Festivalstimmung vom Sommer geht jetzt langsam auch in den Winter über.“ Ein großer Vorteil, den Fernbusse gegenüber Zugreisen haben: die sogenannte letzte Meile fällt weg. „Die meisten Shuttle-Services gibt es nur für Hotelgäste, für Tagesgäste fehlen oft noch die Endlösungen. Bei uns kommen die Kunden überall direkt an die Liftstation“, so Mikuscheck.
Auch andere Unternehmen bieten Bus-Tagesskireisen an, zum Beispiel das oberbayerische Unternehmen Geldhauser mit seinem traditionsreichen KitzSkiXpress oder Branchenriese Flixbus.
Dieser Text ist entstanden im Rahmen einer Kooperation von Dein Winter. Dein Sport. mit den Sportjournalismus-Studenten der Hochschule Macromedia in München unter der Leitung von Prof. Dr. Stefan Brunner.
Edwins Call-to-act: "Für eine Anreise mit dem Auto spricht nur Bequemlichkeit. Und auch dieses Argument wird mit dem fortschreitenden Angebot der Anbieter immer schwächer. Wer in die Skigebiete möchte, hat im gesamten Land die Möglichkeit, dies mit dem Zug oder Bus zu tun – egal, ob ein kurzer Ausflug oder ein weiter entfernter Urlaub. Wer weiterhin mit seinem eigenen Auto anreisen möchte, der sollte dies wenigstens nicht alleine tun. Beherzigt man diese Punkte, braucht man an einem Tag im Schnee kein schlechtes Klima-Gewissen zu haben!"